Vor einiger Zeit hatten wir ein Foto-Shooting in Itzehoe. Tagesgeschäft einer Marketing-Abteilung könnte man denken, wär‘ dann aber falsch. Da hängt nämlich wesentlich mehr Arbeit dran, als man (ich) denken würde. Mit zwei Tagen fotografieren ist es nämlich nicht getan, die sind eher der kleinere Teil.
Man möchte auch meinen, dass man außer Fotografin und Model nicht viele Leute brauche. Tatsächlich waren aber erstaunlich viele Leute involviert: Die Fotografin und die Models, unsere Service-Techniker, ein Hausmeister, die Assistenz der Geschäftsführung, eine Visagistin, die Geschäftsführung, die Grafiker und mittendrin ich – unsportlichster Fitness-Blogger der Welt.
Allerdings nicht in dieser Funktion. Ich war eher: Produktmanager, Brötchenschmierer, Packer, überfordert, Tierretter, Service-Techniker-Aushilfsnotnagel, …
… Einweiser, Lichtdouble, verwirrt, Fotograf der Fotografin (Meta-Ebene), Unterhalter, Kaffeeholer, Ideengeber (nicht unbedingt die beste Idee), Beleuchter, auch ein wenig Planer und Berater und nun im Nachgang dann auch Fitness-Blogger, der einigermaßen gesittet rüberbringen möchte, wie so ein Shooting vor sich geht. Wer das nicht lesen mag, kann gleich zu den Danksagungen scrollen oder einfach nur die Bilder angucken.
Leiden der jungen Werber
Taurus ist eine Eigenmarke von Sport-Tiedje mit einem breiten und bunten Sortiment an Fitnessgeräten vom kleinen Balancekissen über massive Squat Racks bis zu Studio-Laufbändern. Eine unserer Aufgaben als Marketing-Abteilung ist es, dieses Sortiment ansprechend darzustellen. Dafür erstellen wir Texte, Bilder und Videos im Webshop, auf Flyern, Postern oder in Katalogen.
Zu einem Fotoshooting wie diesem ist festzuhalten: Das eigentliche Shooting – auch wenn sich die beiden Tage sehr lang angefühlt haben – nimmt nur einen kleinen Zeitraum im Gegensatz zu Vor- und Nachbearbeitung ein. Meine hinreißenden Kolleginnen vom Foto-/Grafik-Team haben schon Monate vorher damit angefangen, eine Location sowie Models zu suchen und Motiv-Ideen zu sammeln.
Außerdem muss zusammen mit der Geschäftsführung abgestimmt werden, welche Geräte fotografiert werden müssen – dazu wird erst einmal der Bedarf geprüft. Welche konkreten Projekte stehen an (z. B. Kataloge) oder für welche Gerätekategorien brauchen wir aussagestarke Bilder, welches Taurus Gerät ist so schön, dass es einfach fotografiert werden muss?
Natürlich gehören auch ganz profane Dinge in die Überlegungen: Wie viele Geräte können wir fotografieren? Wie viele passen ins Auto? Und der schnöde Mammon: man muss auch Kosten im Auge halten. Etc..
Und schließlich müssen auch Models gefunden werden und für die gelten wieder andere Ansprüche: Sie müssen Zeit haben und bezahlbar sein, vom Aussehen passen, einigermaßen sportlich sein, damit sie die Übungen korrekt ausführen und wenn es nach mir ginge: Kunst in Paris studieren, recht schlank und brünett sein sowie eine kleine Nase haben. Geht aber nicht nach mir, unser Foto- und Grafik-Team ist da etwas anspruchsvoller.
Auf der Suche nach …
Die Location-Suche – das ist so ein Wort, das für mich zunächst mal nach Arbeitszeitbetrug klingt. Ich z. B. brauche zur Arbeit nur einen ruhigen Raum mit nicht so viel Gesabbel sowie Flip-Flop-Verbot … eine große Arbeitsfläche wäre noch schön, wenn man mal mehrere Bücher aufschlägt. Für so ein Fotoshooting ist die Location – also der Arbeitsplatz – allerdings eine ganz andere Hausnummer.
Die Location muss zu haben sein, der Hintergrund muss stimmen und idealerweise gibt es hier mehrere Hintergrund-Optionen. Das Licht muss stimmen – natürlich regelt unsere Fotografin das meiste mit Blitzgeräten und Kameraeinstellungen und Nachbearbeitung, wenn das vorhandene Licht aber eine Katastrophe ist, wird das auch nichts mit den Bildern.
Dann muss genug Platz da sein – nun sind unsere Fitnessgeräte zwar alle platzsparend konstruiert, aber unsere Fotografin möchte halt auch mal drumherum fotografieren, von allen Seiten etc. … Dann muss man die Geräte überhaupt erst einmal dahinbekommen (womit Überseegebiete und Bielefeld ausgeschlossen sind) und die Location muss bezahlbar sein.
Die Suche nach einer Location, die all das vereint, war mühselig und von einigen Rückschlägen geprägt. Was Denise (Foto) und Tonia (Grafik) aber letztlich aufgetan haben, war eine wirklich tolle Location: die ehemalige Zementfabrik in Itzehoe.
Heute heißt das Areal Planet Alsen. Alte Industrie-Geräte, Betonmauern, rostige Gitterwände, riesige Metallketten, Ersatzteile etc., oben: Kunstausstellung, riesige Fensterfronten, durch die man die untergehende Sonne sich auf der Stör spiegeln sieht, schwere Eisentüren.
Und das oberste Stockwerk? Bei etwas besserer Isolierung hätte jeder Neu-Kölln-Kunst-Hipster das als Loft genommen. Einziger Wermutstropfen – das Gebäude: riesig! Die empfohlenen 10.000 Schritte pro Tag habe ich beim Tragen der Geräte und beim Wechseln der Sets mehrfach geknackt. Mit zwei 20-kg-Hantelscheiben ist so eine lange Treppe selbst für einen Fitness-Blogger wie mich … noch mal: gerade für einen Fitness-Blogger wie mich schon anstrengend.
Darauf hat mein Studium mich nicht vorbereitet, da habe ich eher gelernt, mich ans 100-Schritte-Maximum zu halten. Ökonomisches Arbeiten – immer schon eine meiner Stärken.
Kommen wir mal zum Punkt
Nach all den Vorbereitungen kam dann auch mal der Termin und wir trafen uns am Samstag um 8 vorm Schleswiger Hauptquartier, um von dort nach Itzehoe zu fahren. Dafür kann man ca. 75 Minuten veranschlagen, aber man hörte da auch schon von anderen Kollegen, die das schneller erledigt haben. Bei der Location angekommen, begrüßte uns auch schon der Hausmeister, gemütlicher Typ, bei dem die Zigarette Teil der Arbeitskleidung zu sein schien. Kurz darauf kam Joella an, unsere Visagistin und Modell – 2-in-1-Lösung super.
Kurz darauf kamen unsere Techniker mit zwei Sprintern und einem Caddy, Denise zeigte uns auf einem Plan, welche Geräte wo zu fotografieren seien und machte sich selbst daran, Ihre Fotoausrüstung aufzubauen.
Unser erstes Model war Christoph, der – was für ein Glück – in seiner Freizeit CrossFit macht und sich daher auch perfekt mit den meisten Geräten aus unserem Equipment auskannte. Wir brauchten ihm weder die Battle Ropes zu erklären noch wie man richtig auf einem Rudergerät sitzt.
Das gab mir dann die Zeit, mir einen Kaffee zu holen und im obersten Stock ein Squat Rack aufzubauen. Das kann man übrigens alleine, ich würde allerdings eine helfende Hand empfehlen. Alleine dauert der Aufbau übrigens exakt so lange wie das letzte Monophonics-Album. Währenddessen fotografierte Denise Christoph mit Battle Ropes, auf dem Indoor Cycle, mit Kettlebells etc..
Wir hatten für jedes Model ca. 3 Stunden eingeplant, viel länger wäre auch gar nicht möglich. Da wir die Models ja nicht nur auf die Geräte setzen und dann das T-Shirt ein bisschen zurechtzupfen, sondern auch bei der Ausübung zeigen, ist so ein Shooting für unsere Models auch eine sportliche Herausforderung. Ich glaube, dass Joella bestimmt viele schöne Erinnerungen an unser Laufband hat, auf dem wir sie als drittes Model des Tages fotografiert haben.
Als zweites Model war für diesen Tag aber Juliane gecastet worden, die wir vor allem beim Krafttraining und auf einem Rudergerät fotografieren wollten. Das hieß dann aber auch: das ganze Gebäude nutzen. Ganz oben das Squat Rack, dementsprechend mussten auch die Hantelscheiben dahin … Da Juliane selbst Kraftsport macht und als Fitnessmodel arbeitet, mussten wir ihr nichts erklären.
Es ging vor allem darum, die richtigen Bildausschnitte und Posen zu finden und wahrscheinlich hat sie mit Entsetzen wahrgenommen, wie ich eine Hantelstange hochhebe und danach rot wie das Sport-Tiedje-Logo bin und meinem ersten Bandscheibenvorfall zugearbeitet habe.
Joella war am Samstag unser drittes Model. Wir hatten Joella bei einem anderen Fotoshooting als Visagistin engagiert und sie dort sozusagen als Model (für uns) entdeckt. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Aber ich denke, wenn man sich das Foto anschaut, erklärt das alles.
Nach Joellas Shooting war dann noch aufräumen angesagt. Auch mit Hausmeister lässt man die Kamera-Ausrüstung dann doch nicht über Nacht in einer alten Zementfabrik am Rande des Gewerbegebietes liegen. Wahrscheinlich wäre die Kamera auch wesentlich egaler gewesen als die schon gemachten Fotos. Am nächsten Tag – jeder von uns dreien erwachte mit anderen Schmerzen, die kombiniert bestimmt eine 120 %ige Arbeitsunfähigkeit ergeben hätten – waren wieder drei Models vorgesehen.
Vorher aber die wichtigste Mahlzeit des Tages: Kaffee. Dann weiter zum Gelände, aufschließen, vorbereiten, Brötchen schmieren, wo ist Milch? Hol‘ ich! Christian das soll woanders hin! Der holt Milch. Soll trotzdem woanders hin. Morgens halt – die ersten sechs Stunden nach dem Aufstehen: das schlimmste Viertel des Tages. Unser erstes Model war dann Mona, die Denise vor allem auf einigen Ausdauergeräten und bei Yoga-Übungen fotografieren wollte.
Dafür hatte sich Denise u.a. auch eine ganz bestimmte Yogapose ausgesucht, die ich dann als Lichtdouble einmal vorführen sollte. Ja. Denkste. Ich würde die Übung gerne beschreiben, aber nicht mal das kann ich. Ziemlich kläglich bin ich gescheitert und insgeheim glaube ich, dass bei der Vorlage mit Photoshop gearbeitet wurde, da Gliedmaßen nicht in diesen Positionen zueinander stehen können. Tonia scheiterte dann als Lichtdouble-Ersatz auch, wenngleich sehr viel graziöser. Wir haben uns dann nicht weiter an dieser Übung aufgehalten und andere sehr schöne Fotos mit Mona gemacht.
Das nächste Model jagte uns dann erst einmal einen Schock ein: Panne auf der Autobahn. Aber es ist alles gut gegangen und Katharina ist sogar noch zum Fotoshooting gekommen und das war natürlich toll für uns. Wir haben Katharina vor allem auf unser Indoor Cycle gesetzt, wo sie eine sehr gute Figur gemacht hat. Zusammen mit Joella konnten wir so sogar eine Art Rennsituation stellen: Beide gucken verbissen, Anstrengung ins Gesicht geschrieben, Körper unter Höchstspannung etc.
Ehrlich gesagt, natürlich bisschen Quatsch so was. Wenn zwei Indoor Cycle nebeneinander stehen und das eine nach einer Trainingseinheit weiter vorne steht, hat da einer das Prinzip Indoor Cycle nicht verstanden oder irgendwie die Naturgesetze ignoriert. Aber Quatsch hin oder her: die Fotos sind ziemlich gut geworden. Und hier ein Beispiel, wie sie entstanden sind:
Unser letztes Model war dann David, den wir für Krafttrainings-Bilder gebucht hatten. Dafür hatten wir unten eine Kraftstation aufgebaut und außerdem hatte Denise sich UNTEN eine Ecke ausgesucht, wo sie Aufnahmen am Squat Rack machen wollte. Der aufmerksame Leser wird sich erinnern: das Ding habe ich ganz oben aufgebaut. Nehme ich Denise immer noch ein bisschen übel, aber nur ein bisschen, man kann ihr einfach nicht böse sein.
Über das schwierige Verhältnis zwischen Text und Bild
Die Kommunikation zwischen Textern und Fotografen/Grafikern ist nicht immer leicht. Texte und Bilder sind etwas völlig Verschiedenes – das ist ja nichts Neues. Hat Lessing ein ganzes Buch drüber geschrieben (Laokoon) – klar, er hat von Malerei und Dichtung geschrieben. Was 1766 Malerei und Dichtung waren, ist heute halt Fotografie und Texten. Für uns waren die Probleme jedoch weniger kunsttheoretischer Art, sondern viel mehr praktisch, z.B.:
Denise: Das muss noch weiter nach vorne.
Ich: So?
Denise: Nein, noch weiter nach VORNE.
Ich: So?
Denise: Nein, das andere vorne.
Ich: Ach. Sooo?
Denise: Vorne, Mensch. Daa!
Ich: Wat? Wo ist denn bei Dir vorne? So, also?
Denise: Genau.
Kleiner Exkurs: Richtungsangaben sind in der Regel deiktisch. Deiktische Begriffe wie ich, morgen oder hier beziehen sich immer auf den Sprecher, bzw. haben ihren Ursprung im Sprecher. Es sind Begriffe, die ihre Bedeutung erst in der Situation erhalten.
Wenn ich am 21.05.2017 „morgen“ sage, ist damit der 22.05.2017 gemeint, sage ich es am 22.05. ist eben der 23.05. gemeint. Aufgrund meiner feinfühlig-einfühlsamen Art dachte ich nun, die Worte meiner Fotografin richtig deuten zu können. Ich versetzte mich an ihre Stelle und versuchte herauszufinden, was für sie vorne sei. Aber selbst mit dem Wissen um die Deixis, war es für mich erstaunlich zu sehen, wie viele „vorne“, „links“ und „da“ es geben kann.
Ein anderes Beispiel für Missverständnisse: „Stellst Du bitte noch die Lampe hoch?“ Ich möchte Denise da nichts unterstellen, aber ich glaube, das ein oder andere Mal hat sie sich einen Scherz mit mir erlaubt. Zumindest habe ich das eine Mal die Lampe vertikal hoch gestellt, das andere Mal die Leuchtkraft erhöht. Aber was man auch macht, man macht das falsch. Einigen wir auf uns auf „heller“ bzw. „nach oben“, Denise? Auch wenn wir uns manchmal missverstehen, verstehen wir uns doch, oder Denise?
und so was kommt dann dabei raus …
Und was machen wir nun mit den Bildern? Unsere Fotografin hat sich in ihrer Höhle eingeigelt und bearbeitet die Bilder, unsere Grafiker nutzen diese Bilder z. B. für einen Katalog und ich … packe einige der Bilder in unseren Blog, damit sich jeder überzeugen kann, dass sich die Arbeit gelohnt hat.
Das Shooting hat natürlich nicht nur mich viel Blut, Schweiß und Tränen (darf man das so zitieren???) gekostet, sondern auch viele andere. Wahrscheinlich bin ich sogar noch günstig davongekommen. Darum möchte ich mich bei Tonia und Denise bedanken, natürlich bei unseren sechs Models, bei unseren Aufbauhelfern Michael, Stefan und ausnahmsweise einmal Helge und bei den vielen Technikern, die die Geräte am Montag wieder abgebaut haben.
Ich war nicht mehr dabei, daher habe ich nicht alle Namen parat, aber … super, danke. Vielen Dank auch an das Möbelhaus Sinnerup, die uns unter anderem ein Sofa, Beistelltische und eine Lampe zur Verfügung gestellt haben.