Mein Körper legt in letzter Zeit ein Verhalten an den Tag, das abenteuerlich zu nennen sehr verwegen wäre. Da spüre ich manchmal ein Zwicken, manchmal einen Ziehen an Stellen meines Körpers, die ich immer noch nicht richtig lokalisieren kann. Und auch meine Launen ändern sich. Ich war nicht einmal genervt, als Sarah mir den dritten Trainingsplan präsentierte, an dessen Umsetzung ich mich ab morgen mache. Zumindest nicht genervter als sonst auch. Was stimmt denn nicht mit mir? Ich fürchte, dass ich mir da irgendetwas eingefangen habe?
Ich bin bei einigen Dingen viel lockerer geworden. Der letzte Trainingsplan, den mir Sarah ausgearbeitet hat, sieht Übungen vor, die mir auf Anhieb unsympathisch sind. Sie hat mich aus der Sicherheit des HOIST-Kraftzirkels und meiner anderen Komfortzonen herausbeordert und mich viel mehr freie Übungen machen lassen. Am Boden und in der Eisenecke – also dort, wo die Hanteln liegen und eine Wand komplett verspiegelt ist. Dort, wo ich zwischen breitschultrigen Männern stehe, die mit dicken Armen dicke Gewichte heben, während ich mit mickrigen Armen mickrige Gewichte hebe. Aber ich habe mich damit arrangiert und verdammt noch eins: Ich bin bei einigen Übungen recht gut geworden. Wobei eine gewisse Abneigung dagegen, mich am Boden zu verrenken immer noch besteht. Seltsam ist das schon – diese Veränderungen.Daher habe ich mich mal selbst unter die Lupe genommen und mich auf die Leder-Couch gelegt und die auffälligsten Symptome notiert:
Ein Wunder ist geschehen, ich kann wieder gehen
Zumindest bis vor Kurzem lag mein biologisches Alter bei 39 Jahren. Doch trotz dieses biblischen Alters konnte ich nicht laufen. Kerngesund der Werner, kann aber mit seinen biologischen 39 Jahren nicht laufen. Beim Joggen machen mir die Waden einfach dicht. Ich bin nicht außer Puste, aber die Waden versagen ihren Dienst. Ich wollte die schon weg tun, aber mir wurde gesagt, dass Laufen dann auch nicht besser ginge. Letzte Woche muss aber etwas passiert sein. Vielleicht hat mir unbemerkt jemand die Sünden vergeben? Obwohl die Dame, die mich immer so böse ansieht, mich auch weiterhin ohne Grund böse ansieht. Trotzdem: es hat sich was getan, denn siehe da: Ich kann wieder laufen. Ich stand diese Woche, nein ich lief diese Woche eine gute Dreiviertelstunde, ohne auch nur ein Zwicken zu spüren. Ein Wunder oder ein Zeichen für irgendetwas?
Erhöhung der Dosis
Ich steigere seit einiger Zeit die Dosis. Beim Bankdrücken mit den Kurzhanteln wähle ich immer schwerere Hanteln, beim Trizepstraining am Kabelzug stecke ich den Stift eine Stufe tiefer. Dosis-Erhöhung, das machen doch sonst nur Abhängige aufgrund einer Toleranzbildung. Bin ich sport-tolerant geworden?
Kompletter Verlust der Zurechnungsfähigkeit
Der Kollege, den ich am häufigsten beim Training treffe, ist Gordon. Er ist gut im Training. Bei uns in der Firma ist er ausgewiesener Experte für MMA, für Kraftsport und auch für Sporternährung – das sieht man ihm auch an. Gordon ist eher in der Gewichte-Ecke zu finden. Wenn er mich aber sieht, kommt er zu mir in die Cardio-Ecke und gibt mir einen „Daumen hoch“ als Anerkennung für meinen Eifer. Und letztens hat er mir auch ein Angebot gemacht: „Wenn Du mal fertig bist mit dem Ausdauerkram, zeig‘ ich Dir mal wie Du Dich richtig auspowern kannst. Dann machen wir Dich mal schön kaputt.“ Und was antworte ich? Ich sage: „Ja klar, nächsten Monat machen wir das einmal, dann mache ich mal Dein Training mit.“ Ich hab sie noch alle??? Ich habe doch meinen Kollegen Finn schon über dieses Training stöhnen hören und der steht nicht im Verdacht, weich zu sein. Alle meine Entscheidungen, beruflich und vor allem privat, lege ich ab sofort meinem Chef zum Absegnen vor. Ich mag nämlich gar nicht so gerne kaputt gemacht werden.
Riesenwuchs der Füße
Seit einigen Wochen sehe ich mehr von meinen Füßen, wenn ich an mir runter gucke. Das ist doch beängstigend! Wachsen die wieder? Ich dachte immer, nur die Ohren und die Nase würden lebenslänglich wachsen – da droht mir schon was im Rentenalter! Und ich habe auch schon so große Füße, jetzt ragen sie noch weiter über den Bauch … oh, das Bäuchlein hinaus. Hatte die Waage vielleicht doch keine Fehlfunktion, als sie mir 5 kg weniger anzeigte als noch vor 8 Wochen?
Schamloser Verlust der Schamhaftigkeit
Es macht mir immer weniger aus, beim Sport hemmungslos vor mich hinzuschwitzen. Bisher dachte ich, dass die abgesonderte Menge Schweiß proportional zur Unlust auf das Ausdauertraining steige. Mittlerweile bin ich aber unzufrieden, wenn ich nach einem Intervall-Training mit hoher Intensität keine Pfütze unter mir habe. Verrohen nun meine Sitten wie bei diesen viel gescholtenen Jugendlichen? Verliere ich etwa meinen Zwang zur viktorianischen Schweißvermeidung?
Ich phantasiere!
Ich habe mir mein erstes Fitnessgerät für zu Hause gekauft: Es handelt sich – relativ unspektakulär – um eine Taurus Trainingsmatte. Aber: jedes Training braucht ein vernünftiges Fundament. Und wer weiß, was ich da noch alles drauf bauen will? Ich gehe manchmal vor meinem geistigen Auge durch meine Wohnung und sage mir Dinge wie: „Da passt doch noch eine Hantelbank hin.“ Oder: „Ob die Decke wohl einen Schlingentrainer hält (wenn ich dranhänge)?“ Im Kopf statte ich meine Wohnung schon mit Rudergerät und Kettlebells aus. Ich möchte nämlich tatsächlich gerne mehr zu Hause trainieren. Da ist einfach weniger los und ich bin noch etwas flexibler mit meinen Trainingszeiten. Was sind das denn für Gedanken? Was zeigt sich da meinem trüben Blick? Huschhusch, weg mit Euch Einrichtungsplänen, ich muss weiterarbeiten.
Versuch einer Diagnose
Ich muss wohl den Tatsachen ins Auge blicken: Entweder habe ich mir was richtig Fieses eingefangen, etwas das Geist, Körper und Seele verändert oder ich finde langsam immer deutlicher Gefallen an der Bewegung. Ich habe mich wieder wiegen lassen: 5 kg sind runter, ein bisschen flacher ist der Bauch. Das ist nicht hervorragend, aber doch ganz gut, wenn man bedenkt, dass ich meine Ernährung nicht im Geringsten umgestellt habe, sogar eher noch mal einen Happen zusätzlich nehme. Wenn ich jetzt zum Endspurt auch noch aufs Essen achte … dann, ja dann …
Tja Christian, ich kenne das – frag meine Frau – die kuckt schon dauernd Wetterkarte – denn wenn ich nicht meine täglichen 11 km Walking machen kann – dann werd ich auch „hektisch“… vor 2 Jahren hätte ich müde mit den Schultern gezuckt (Sport ist doof und Gehen/Laufen sowieso…) – heute bin ich bei Wettbewerben dabei und habe im Mai einen Halbmarathon absolviert (21,5 Km in 3 Std.)
Hallo Alfred, danke für Deine Nachricht. Es ist tatsächlich so. Am Anfang war es noch Qual oder Zwang sich aufzuraffen, mittlerweile läuft das ganz automatisch und ich empfinde es überhaupt nicht mehr als Zwang oder Opfer, sondern mache es schon ganz gerne. Mal sehen, was ich in zwei Jahren hinbekomme.
Gut siehst du aus, Christian!! Richtig sportlich. Sollten dir die ersten paar Wochen Sport wirklich so viel Körperspannung beschert haben? Oder hast du dich beim Posen nur besonders angestrengt? Weiter so.
Danke, Ich gebe mir auch wirklich Mühe, aber Posen ist mir fremd.
Glückwunsch zum Rekord, finde ich übrigens super von Deiner Frau, dass sie auch so gut aufpasst 😉