Gestern setzte ich große Hoffnung ins Training. Himmelfahrt, dachte ich, da wird’s leer sein. Keine Leute, die meine Geräte besetzen, keine Leute, mit denen ich small talken muss oder die mir bei meinem Programm zugucken. Die meisten Leuten, dachte ich, hätten nämlich den Brückentag nicht vergessen und seien nun mit einem Bollerwagen auf Vater- oder Herrentagstour und schwer betrunken. Mit meinen Gedanken lag ich nur halb richtig. Mir begegneten auf dem Weg zum Training zwar mehrere dieser Prozessionen, trotzdem war es voll beim Training. Zu voll für mich, also bin ich wieder umgedreht und habe stattdessen über Trinken und Training recherchiert.
Wie bei so vielen Studien und wissenschaftlichen Fragen ist bei Wein, Wodka, Whisky und Workout der Ausgang, die Antwort schon klar: Alkohol ist nicht gut, Alkohol ist ein Nervengift und jeder Rausch ist eine mehr oder weniger freudig herbeigeführte Selbstzerstörung. Wer heute noch nicht weiß, dass übermäßiger Alkoholgenuss schädlich ist, dem wird man es wohl nicht mehr erklären können. Leider liegt im letzten Satz aber auch das Problem: es heißt nämlich „Alkoholgenuss“. Es kann durchaus Spaß machen und ich bin der Letzte der Abstinenz predigen wird. Bloß sollte sich jeder auch der schädlichen Wirkungen des Alkohols bewusst sein, die ich hier aber nicht alle aufführen möchte. Ich will mir nur einen knappen Überblick über die Zusammenhänge von Alkohol und Sport verschaffen.
Alkohol und Sport, so kann man es zumindest drehen, haben nämlich unglaublich viel gemeinsam. Sie können als sozialer Kitt dienen, können rauschhafte Zustände hervorrufen, haben massive körperliche, geistige und seelische Auswirkungen, beide können zu ziemlich schweren Schmerzen am nächsten Tag führen, wenngleich in ganz unterschiedlichen Körperpartien, sie steigern das Selbstvertrauen. Aber nur weil es solche konstruierten Gemeinsamkeiten gibt, heißt es nicht, dass man beide auch gemeinsam genießen sollte.
Wer ein Sixpack will, sollte die Finger vom Bier lassen
Eines wird beim Rausch gerne vergessen: Alkohol ist ein Energieträger. Und zwar einer mit einem ziemlich hohen physiologischem Brennwert. Unter physiologischem Brennwert versteht man die Energiemenge, die freigesetzt wird, wenn man 1 g des betreffenden Nährstoffs „verbrennt“. Kohlenhydrate und Eiweiße haben einen niedrigen Brennwert. Er liegt bei ca. 4,11 kcal/g. Alkohol hat schon 7,11 kcal/g und wird nur noch vom Fett übertroffen, das 9,31 kcal pro Gramm bringt. Für mich sind solche Werte leider immer spektakulär abstrakt. Ich kann besser in Gläsern oder Flaschen rechnen. Also hier eine kleine Beispielrechnung:
- Eine 0,7 l Flasche Côtes du Rhône hat bei 13 Vol. % 91 ml Alkohol.
- Alkohol hat eine Dichte von 0,79 g/ml, das macht 71,89 g Alkohol in einer Flasche.
- Bei 7,11 kcal/g macht das stolze 511 kcal, die nur der Alkohol im Wein hat.
Neben dem Alkohol gibt es noch andere Inhaltsstoffe, so dass man bei einer Flasche Rotwein mit noch mehr Kalorien rechnen muss. Bei einem täglichen Ziel von 2000 kcal, um Gewicht zu halten und sogar ein wenig abzunehmen, wäre also die Flasche Wein über ein Viertel der angestrebten Kalorien. Und dann kommt da noch etwas anderes dazu: der Heißhunger. Wie verlockend sind nicht der Döner und die Fast-Food-Filiale auf dem Heimweg? Glücklich darf sich schätzen, wer aufgrund seiner Wohnungslage dieser heimtückischen Versuchung nicht ausgesetzt ist.
Übrigens: Einer unabhängigen Studentenküchen-Untersuchung haben wir die Erkenntnis zu verdanken, dass man mit kurzen Klaren am kalorienbewusstesten betrunken wird. Ganz böse sind hingegen Mix-Getränke, aber das sei wirklich nur am Rande vermerkt.
Alkohol rausschwitzen? Nein, lieber aussitzen!
Ich höre öfter von Leuten, dass man beim Sport doch den Restalkohol noch ausschwitzen könne. Verstehe ich nicht. Einmal abgesehen davon, dass das nicht stimmt, da Alkohol zu 95% in der Leber abgebaut wird, würde ich nie auf die Idee kommen, angetrunken Sport zu machen. Da habe ich doch ganz andere Dinge im Kopf! Oder eben nichts mehr im Kopf. Zugegeben: Manchmal langweile ich mich etwas bei meinen Ausdauereinheiten. Dann denke ich vielleicht auch mal: Biken und Bierchen, das wäre es doch. Aber ich würde betrunken ja auch keine Fahrradtour machen: meine Reaktionszeit, Koordination und Konzentration sind doch total hinüber. Laufen geht dementsprechend auch nicht, das ist koordinativ nämlich anstregender als Sitzen. Natürlich kann ich zu Hause auf dem Indoor Cycle niemandem die Vorfahrt nehmen, eine Kurve falsch einschätzen oder ein Stoppschild missachten – wenn ich das doch schaffen würde, müsste ich schon echt etwas falsch gemacht haben. Aber selbst zu Hause würde ich nicht auf die Idee kommen, beim Sport etwas zu trinken. Ich wäre nach der Übung aufgrund irgendwelcher Botenstoffe im Gehirn wahrscheinlich so zufrieden mit mir, dass ich die Füße lieber hochlege.
Ganz im Gegenteil ist das versuchte Rausschwitzen des Alkohols beim Sport sogar schädlich. Der Körper ist nach dem Alkoholgenuss nämlich erst einmal damit beschäftigt, diese Vergiftung abzubauen. Das kostet ihn viel Energie, die ihm für die Bewegung fehlt. Das gilt natürlich auch anders rum. Dazu kommt, dass man beim Sport Flüssigkeit verliert. Auch Alkohol wirkt stark dehydrierend. Der Flüssigkeitshaushalt wird also gleich doppelt gestört.
Zusammengefasst: Alkohol vor und während des Sports geht gar nicht und kann sogar richtig gefährlich werden. Wer abnehmen will, sollte grundsätzlich auf seine Kalorienzufuhr achten und die Kalorien durch Alkohol bei der Rechnung nicht vergessen! Die einzige sinnvolle Verbindung von Sport und Alkohol ist daher der Fernseher. Dann kann man sogar beim Sport etwas trinken, beim Sport schauen natürlich. Und wenn man sich so einige Vereine hier im Norden ansieht, muss man wohl auch ein Bier zu den Spielen trinken, um die seelische Gesundheit zu wahren.